Trendwende für die Innenstädte und Ortszentren in Schleswig-Holstein einleiten

Trendwende für die Innenstädte und Ortszentren in Schleswig-Holstein einleiten

with Keine Kommentare

Wie können die Innenstädte belebt werden? Mein Redebeitrag zu den SPD-Anträgen die Schließung von Galeria Karstadt Kaufhof – FIlialen zu verschieben und Kommunen leere Geschäfte aufkaufen zu lassen folgt hier: Sowohl Karstadt als auch Kaufhof sind deutsche Unternehmen mit Tradition. Die Warenhäuser prägen das Stadtbild in vielen unserer Innenstädte. Und wohl jede und jeder hier verbindet Erinnerungen und Erlebnisse mit diesen Warenhäusern oder hat – so wie ich – familiäre Verbindungen in die Belegschaft. Schreibwaren, Schmuck, Wäsche oder Konfirmationsanzug – all das gab es bei Karstadt, bei Hertie, Horten oder Kaufhof, je nach dem.

Die jüngere Geschichte ist allerdings nicht so schön. Spätestens ab 2002 liest sie sich die Geschichte von Karstadt eher wie ein Krimi: Oppen-heim/Esch, Quelle, Saint Tropez, Kursmanipulationen, Schickedanz und Middelhoff, Highstreet, Arcandor, Goldman Sachs und am Ende ein Warenhauskonzern ohne eigene Immobilien. Als Kollateralschaden 30 geschlossene Filialen und der Abbau von hunderten Arbeitsplätzen – auch meine Familie hat das damals betroffen, eine bittere Zeit. Die verbliebene Belegschaft musste auf knapp 1,8 Milliarden an Betriebsrenten, Löhnen und Gehältern verzichten. Aber dann kam der Ritter Nicolas Berggruen: Empathisch, sympathisch, nachhaltig, das Gegenteil eines Private-Equity-Managers, ein Menschenfreund, der den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine gesicherte Zukunft versprochen hat. Leider hat er nicht gesagt, wessen Zukunft gesichert wird. Karstadt machte 250 Millionen Euro Verluste, der Umsatz ging um fast acht Prozent zurück. Die Warenhausgesellschaft wurde nun in drei Teile zerlegt und 51 Prozent der wertvollen Assets wurden verkauft. Danach hat Herr Berggruen Karstadt für den gleichen Euro wieder verkauft, den er selbst bezahlt hat. Und das Geld aus den Verkaufs-erlösen floss über die Niederlande und die Antillen in die Karibik in die Nicolas-Berggruen-Stiftung. Ein toller Ritter. Warum rede ich hier so ausführlich über die Vergangenheit? Weil die Lage des Gesamtkonzerns eine direkte Folge dieser Geschichte ist. Man kann wohl zutreffend behaupten, dass Karstadt seit 2002 für die Eigentümer ein Spekulationsobjekt war, das planvoll ausgehöhlt und systematisch ausgesaugt wurde; das eigentliche Geschäft, der Handel mit Waren oder die Belange der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter scheinen überhaupt keine Rolle gespielt zu haben. Bleibt zu hoffen, dass das mit der Fusion mit Kaufhof unter dem Dach von Signa anders ist.

Die Geschäftsführung von Galeria Karstadt Kaufhof muss das Wohl der Firma als Ziel verfolgen. Das kann Sanierung und Konsolidierung bedeuten. Wenn wir als Land tätig werden, müssen wir vor allem auf die Menschen achten, die betroffen sind. Und was es den Menschen bringt, wenn für eine kommunale Zwischenanmietung Steuergeld verbrannt wird, erschließt sich wohl niemandem. Wir sind für die Menschen da, nicht für die Finanzierung oder den Weiterbetrieb defizitärer Unternehmensteile. Und den Menschen ist durch eine Verschiebung der Schließungen um wenige Monate nicht geholfen; ich finde, die Verantwortlichen in Unternehmen und Betriebsrat sollten im Gegenteil die Hängepartie für die Kolleginnen und Kollegen nicht unnötig verlängern und alles daran setzen, dass alle Karstadt-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter schnell in neue Jobs kommen.

Alle sagen ja immer, das Geschäftsmodell der Warenhäuser sei überkommen und tauge nichts mehr. Ich möchte in diesen Abgesang so nicht einstimmen. Das Galeria-Konzept von Horten, das Kaufhof mit in den neuen Konzern eingebracht und weiterentwickelt hat, scheint eine mögliche Antwort des stationären Handels auf den zunehmenden Onlinehandel zu sein. Damit das aufgeht, sind aber auch zukunftsfähige Rahmenbedingungen vor Ort nötig und das bringt mich zum zweiten Teil: zu den Innenstädten. Galeria Karstadt Kaufhof will Filialen schließen, die einen negativen Filialdeckungsbeitrag haben, die also weniger einbringen als sie kosten. Das ist bestimmt auch auf Mieten zurückzuführen, die nicht im Verhältnis zum Um-satz stehen – eine direkte Folge des Raubzugs 2002 bis 2009. Diese Mieten strangulieren jedes Konzept, auch die, die ansonsten zukunftsfähig sind. Diese Mieten müssen gesenkt werden oder die Filialen müssen dicht machen, wenn der Konzern überleben soll. Aber in Schleswig-Holstein sollen Filialen geschlossen werden, obwohl sie einen positiven Filialdeckungsbeitrag haben. Obwohl sie schwarze Zahlen schreiben. Sie sollen schließen, weil die gesamten Innenstädte eine schlechte Prognose haben, weil die Handelsprofis den Innenstädten nicht zutrauen, eine ausreichend hohe Kundenfrequenz zu bringen. Und das liegt – das wird auch ganz deutlich ausgesprochen – an der Standortpolitik in den Kommunen. Das liegt unter anderem an einer falschen Verkehrspolitik. Wer Straßen verkleinert, die Verkehrsführung verschlechtert und Parkraum zurückbaut, der verschlechtert die Emissionslage und schadet den Innenstädten als Orte des sozialen und wirtschaftlichen Lebens. Autofreie beziehungsweise nicht er-reichbare Innenstädte sind auch kundenfreie Innenstädte. Das liegt an einer Stadtentwicklung, die großflächigen Einzelhandel auf der grünen Wiese fördert. Das kann man wollen, dann darf man sich aber nicht beschweren, wenn der Innenstadt die Kunden wegbleiben. Das liegt an Verwaltungen, die – oft auch auf politische Beschlüsse hin – Sondernutzungen, Sonder-öffnungszeiten oder Sonderveranstaltungen, zum Beispiel verkaufsoffene Sonntage oder Innenstadtfeste, restriktiv handhaben anstatt den gemein-samen Nutzen für die gemeinsame Innenstadt zu sehen. Und das liegt schließlich am fehlenden Erlebnis für die Besucher der Innenstädte, am Erscheinungsbild, an Sicherheit und Sauberkeit und an nicht abgestimmten Öffnungszeiten.

Schauen wir uns doch mal an, wie Sie diesem Problem begegnen wollen. ‚Die Zukunft der Ortszentren wird nicht allein durch den Einzelhandel bestimmt, wir brauchen dort ‚Dritte Orte‘.‘ Das klingt erstmal gut. Natürlich muss auch der Rahmen gestaltet werden. Aber Grund für einen Besuch der Innenstadt sind für die meisten Menschen Einzelhandel und Gastronomie. Aufenthaltsqualität gibt es auch im Stadtpark. Das Land soll die Städte hin zu einer städtebaulichen Neuausrichtung bringen und diese Neuausrichtung über den kommunalen Finanzausgleich auch bezahlen. Mit dem Weg zu einer wirtschaftsfreundlichen Neuausrichtung haben Sie ja Recht. Eine Finanzierung kann ich mir allerdings eher im Rahmen städtebaulicher Pro-gramme vorstellen. Die Onlinekompetenz der lokalen Einzelhändler soll gestärkt werden, und zwar durch das Land. Die Idee von kooperativen Online-auftritten ist ja gar nicht schlecht, aber was hat das Land damit zu tun? Das klingt für mich ein bisschen nach betreutem Unternehmertum. Eine Neugestaltung der Vertriebswege ist Sache der Unternehmen selbst, nicht Sache des Steuerzahlers.

Hohe Mieten machen Ortszentren unattraktiv für Neuansiedlungen, Sie wünschen sich hier eine vermittelnde Rolle der Politik zwischen Vermietern und Mietern, eine Mietpartnerschaft für Innenstädte und Ortszentren. Das finde ich gut. Leider können Sie sich am Ende nicht verkneifen, Eingriffsmöglichkeiten in das Grundrecht auf Eigentum zu fordern. Und schließlich fordern Sie verstärkt Investitionen in Innenstädte und Ortszentren. Den Kleiner-Kiel-Kanal als kluges Konzept zu bezeichnen, finde ich zwar gewagt, aber die Idee von der gewerbeorientierten Aufwertung der Innenstädte ist richtig. Bauliche Attraktivität, eine zuträgliche Verkehrsführung, Sauberkeit und Sicherheit sind die richtigen Standortmaßnahmen, um unsere Innen-städte als Orte des sozialen und wirtschaftlichen Miteinanders zu revitalisieren. Ob das über PACT-Maßnahmen gelingen kann, bezweifle ich ehrlicherweise nach den Herausforderungen der Coronakrise. Aber städtebauliche Programme hielte ich durchaus für eine gute Idee.

Ich stelle mit Freude fest, dass Ihr Antrag versucht, sich vom wirtschaftsfernen Kurs der Sozialdemokratie zu befreien. Auch wenn mich erstaunt, dass Sie gerade die Kommunen, die SPD-regiert sind, kritisieren. Ich freue mich auf die Ausschussberatungen und beantrage deshalb die Überweisung in den Wirtschaftsausschuss.“