Bahnentwicklung in Flensburg

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Mein Interview zur Bahnentwicklung in Flensburg mit Carlo Jolly im Flensburger Tageblatt vom 02.03.2016 in voller Länge:

1. Was sollte aus Ihrer Sicht am bzw. mit dem derzeitigen Flensburger Bahnhofs kurz- und langfristig passieren?

Der jetzige Standort auf dem alten Mühlenteich kann durch einen stufenweisen Ausbau des Bahnhofs Weiche in Verbindung mit dem ZOB langfristig neu genutzt werden. Es bietet sich hier eine große Chance für das Quartier am Munketoft, da viele derzeitig von der Bahn genutzte Flächen einer anderen Nutzung zugeführt werden könnten.

Für eine Wohnnutzung ist die Lage mit nur einseitiger Erschließungsmöglichkeit nicht von Nachteil – anders als bei einem wichtigen Verkehrszugangspunkt wie einem Bahnhof.

Für die Gebäude des Bahnhofs selbst wären zum Beispiel ein Kulturzentrum oder eine Konzert- / Veranstaltungshalle mit Bahnhaltepunkt, aber auch studentisches Wohnen oder Geschoss- und sozialer Wohnungsbau im Allgemeinen denkbar.

2. Wie stehen Sie zur Reaktivierung der Bahnstrecke Flensburg-Niebüll?

Sehr positiv! Wir haben als Freie Demokraten von Anfang an darauf hingewirkt, dass diese Strecke Flensburg-Niebüll im Gutachten berücksichtigt werden muss. Wie sich heute zeigt, ist sie der Schlüssel für die Attraktivitätssteigerung des schienengebundenen Personennahverkehrs in Flensburg insgesamt.

Die Bürger könnten direkt von Flensburg bis nach Westerland mit dem Zug durchfahren – in eineinhalb Stunden anstatt wie bisher in zwei Stunden. Und ohne wie bisher dreimal umsteigen zu müssen. Das ist doch eine fantastische Vorstellung insbesondere für den Tourismus und für Pendler. Denken Sie nur an die Möglichkeiten, die das für den Tagestourismus zwischen Flensburg und Sylt bedeutet! Da freut sich dann am Ende auch unser Kämmerer, denn das bringt zusätzliches Geld in die Stadt.

Für Pendler wäre diese Anbindung eine echte Alternative zum Auto. Wie das Bahngutachten aufzeigt, wird es durch eine geschickte Optimierung und Kombination der Buslinien mit einem Zubringepunkt in Schafflund gerade in diesem Bereich zu einer große Steigerung der Passagierzahlen kommen.

Die notwendige Infrastruktur ist zum großen Teil bereits da. Der Gleiskörper ist für schwere Last ausgelegt und kurzfristig wieder gebrauchsfertig zu machen.

3. Wie stehen Sie zum Bau eines Fernbahnhofs in Weiche?

Es ist die vernünftigste Lösung. Es ist alles bereits vorhanden. Fast alle Schienen-Wege gehen über Weiche, Flächen sind mit dem Gelände des alten Verschiebebahnhofs ebenfalls da. Außerdem ist Weiche durch die Osttangente auch für den Osten der Stadt sehr gut mit dem PKW erreichbar.

Einzig die Zuwegung innerhalb Weiches wirft planerische Schwierigkeiten auf. Eine alternative oder zusätzliche Erschließung über den aufgelassenen Sportplatz parallel der Langen Reihe zum Alten Husumer Weg in Richtung Altholzkrug wäre zu prüfen. Allerdings: Trotz aller genannten Schwierigkeiten ist die Anbindung noch immer mit Abstand besser als am jetzigen Standort.

In Verbindung mit dem Nahverkehrshaltepunkt am ZOB würden wir eine Verbesserung der Umsteigmöglichkeiten und der Erreichbarkeit der Innenstadt erreichen. Bahnreisende, vor allem auch ortsfremde Touristen würden direkt mit der Bahn bis zur Hafenspitze/ ZOB reisen können. Am ZOB fahren alle Buslinien ab. Das bedeutet einen ideal vernetzten ÖPNV. Das alles kann der heutige Bahnhofstandort nicht bieten.

4. Was halten Sie von einem Bahnhalt am Zob?

Eine Durchleitung der Regionalbahnen aus Hamburg, Neumünster, Kiel und Niebüll aber auch der Regionalzüge aus Dänemark bietet eine große Chance für Flensburg. Wir werden attraktiver für Pendler und für Touristen. Wir reden hier nicht von ein paar Minuten Fahrtzeitverkürzung. Der Bahnreisende steigt am ZOB direkt in der Innenstadt an der Hafenspitze aus und ist da, wo er hin möchte. Das ist am heutigen Standort nicht so.

Natürlich müssen die Bedenken der Bewohner in der Nähe des Bahndammes berücksichtigt werden. Durch das Gutachten wird aber bestätigt, dass eine solche Baumaßnahme zu einer Anpassung der Lärmschutzmaßnahmen führen würde. Außerdem sind moderne Nahverkehrszüge mittlerweile sehr leise.

Die baulichen Maßnahmen wären überschaubar. So benötigt ein Haltepunkt kein Bahnhofsgebäude. Bahnsteig und Unterstellmöglichkeit sind auf dem bestehenden Damm realisierbar. Und zusätzliche Parkplätze sind hier nicht erforderlich und sollen auch nicht gebaut werden.

5. Wie sollten die von Ihnen bevorzugten Lösungen bezahlt werden?

Zunächst einmal muss allen klar sein, dass es keine Aufgabe der Stadt Flensburg ist, die Bahninfrastruktur zu bauen und zu finanzieren – das schließt die Bahnhöfe ein. Flensburg ist also nicht der Kostenträger für den Fernbahnhof, lediglich für die städtebauliche Planung und die städtische Infrastruktur drum herum. Das sind wir aber sowieso. Für den Bau und die Finanzierung von Bahninfrastruktur sind der Bund, das Land und letztendlich die Deutsche Bahn AG verantwortlich.

Zudem investiert die Europäische Union massiv in den Ausbau der Interregio-Verbindungen. Die dänischen Nachbarkommunen haben sich bereits bei der Finanzierung des vorliegenden Gutachtens erheblich beteiligt.

Die Neuordnung des Straßenverkehres und die Einrichtung von Parkplätzen sind Aufgabe der Stadt Flensburg. Letztere werden vom Land Schleswig-Holstein über die NahSH mit bis zu 70% gefördert. Da es sich insgesamt um ein Projekt mit EU-Förderwürdigkeit handelt, sind hier noch weitere Zuschüsse zu erwarten.

Bezahlt wird also insgesamt durch EU-Fördermittel, Landes- und Bundesinfrastrukturinvestitionsmittel. Letztere landen derzeit überwiegend in Baden-Württemberg und Bayern, weil wir in Schleswig-Holstein meist keine fertig geplanten Projekte vorlegen können.

Abschließend möchte ich noch auf eines hinweisen: Selbst wenn Flensburg sich gegen einen Fernhaltepunkt in Weiche entscheidet, kann es durch Verhandlungen von Deutschland und Dänemark dennoch dazu kommen. Über die Landesraumplanung können Landesverkehrsminister und Bundesverkehrsminister den entsprechenden Haltepunkt nämlich auch vorgeben. Die Anbindung an den ZOB wäre dann aber nicht mehr unbedingt realisierbar.

6. Welches ist aus Ihrer Sicht die Lösung, von der die meisten Flensburger profitieren würden und warum?

Ein Fernbahnhof in Weiche und die Durchleitung der regionalen und grenzüberschreitenden Nahverkehrszüge zu einem Haltepunkt am ZOB wäre die Lösung, von der alle Flensburger merklich profitieren würden.

Konkrete Verbesserungen würde der Tourismus in Flensburg und der Region, würden die Pendler in und um Flensburg und Geschäftsreisende von und nach Flensburg durch kürzere und bessere Verbindungen erfahren. Wie so etwas geht, kann man sich in Kassel-Wilhelmshöhe anschauen. Bei uns würde eine bessere Vernetzung mit dem Umland bis nach Sylt und Tondern Wachstum im wirtschaftlichen und touristischen Sektor bedeuten. Stellen Sie sich vor, was z.B. eine die Verbindung von 35 Minuten Dauer vom Bahnhof Westerland zur Flensburger Hafenspitze auch touristisch für Flensburg bedeuten würde. Oder von der Hafenspitze zum Hamburger Hauptbahnhof – stündlich.

Die Attraktivitätssteigerung der Stadt Flensburg durch eine spürbar bessere Anbindung kann auch neue Bürger und neue Betriebe anreizen, sich hier anzusiedeln. Das wiederum würde langfristig auch zu Steuermehreinnahmen in der Stadtkasse führen.

Eine Reduzierung des straßengebundenen Individualverkehrs innerhalb der Stadt zugunsten des schienengebundenen Nahverkehrs in Kombination mit den Bussen würde zudem die Lebensqualität in Flensburg steigern und die ambitionierten Klimaziele der Stadt in erreichbare Nähe rücken.